Gedanken zur Bedeutung des Lernbereichs „Soziales Lernen“ in der Schule Paracelsusstraße
Die Kinder unserer Schule verbringen mittlerweile fast so viel Zeit in der Schule wie zu Hause. Und an Unterrichtstagen oft gar ein Vielfaches der mit den Eltern aktiv (und nicht schlafend) verbrachten Zeit. Deshalb ist es schlicht unmöglich, dass die erzieherische Verantwortung für ein sozial angemessenes Verhalten – so wie früher – einzig bei den Eltern (der Familie) liegen kann. Es steht außer Frage, dass eine kindgerechte Schule immer mehr erzieherische (respektive sozialisierende) Aufgaben übernehmen muss und sich nicht mehr auf das ausschließliche Unterrichten beschränken kann. Sie muss ihren Kindern sinnvolle soziale Erfahrungsmöglichkeiten anbieten, weil viele Familien – auch aus Zeitgründen – diese Leistungen nicht mehr erbringen können.
Was für eine Schule brauchen aber die Kinder unserer Schule? Denn nur eine Schule, die die oben beschriebenen schulischen Entwicklungen berücksichtigt und sich dabei an den grundlegenden Entwicklungsbedürfnissen des Kindes orientiert, kann kindgerecht sein.
Ein Kind muss sich geborgen fühlen, in den ersten Lebensjahren bei seinen Eltern, später dann im Klassenverband seiner Schule. Für eine tragfähige Beziehung müssen – nicht nur aus Sicht des Kindes – die folgenden Faktoren stimmen: Akzeptanz, ausreichend Zeit für Begegnungen – auch außerhalb des Unterrichts -, Kontinuität und Verlässlichkeit der Bezugspersonen. Es sind gerade diese Faktoren, die die Grundlage zur Lern- und Leistungsbereitschaft liefern – nicht nur bei Kindern!
Eine kindgerechte Schule kann daher nur eine individualisierte Schule sein. Anders kann sie die immense soziale Vielfalt nicht auffangen – nicht einmal innerhalb einer einzigen Klasse. Obwohl die Kinder einer Klassengemeinschaft in der Regel denselben Jahrgang haben, stehen die ErzieherInnen und LehrerInnen besonders in unserer Schulform bereits in der ersten Klasse vor SchülerInnen mit riesigen – insbesondere auch sozialen – Entwicklungsunterschieden. Die bezogen auf ihre sozialen Kompetenzen am weitesten entwickelten Erstklässler unserer Schule sind manchmal bereits so weit wie Drittklässler, die mit den am wenigsten ausgeprägten sozialen Kompetenzen zumeist auf dem Niveau von Kindern, die ihr erstes Jahr im Kindergarten absolvieren. Behandelt man diese Kinder bezogen auf ihr soziales Verhalten alle gleich, werden die einen auf die Dauer entmutigt und die anderen aus Protest verhaltensauffällig, was letztendlich dazu führt, dass sich die Unterschiede im Sozialverhalten der Kinder im Verlauf der Schulzeit immer stärker ausweiten. Daher ist es nur konsequent, dass unsere Schule mit einem Konzept zur Förderung sozialer Kompetenzen – nachlesbar in unserem Curriculum Sozialverhalten – den Versuch unternimmt, die bisherigen eher kollektiven durch individuelle Lehrpläne zu ersetzen.
Das oberste Ziel dieses Curriculums besteht nicht in der Entwicklung von sozialen Techniken und Fertigkeiten, sondern in der Vermittlung eines guten Selbstwertgefühls aller. Ein solches kann nur entstehen, wenn das Kind das soziale Miteinander in der Schule erfolgreich bestehen und erleben kann, es also bezogen auf seine individuellen sozialen Voraussetzungen weder über- noch unterfordert wird. Dies verschafft dem Kind die Gewissheit, dass es sein (Miteinander-)Leben mit Zuversicht in Angriff nehmen kann, dass es seine Stärken zu nutzen und mit den eigenen Schwächen umzugehen weiß. Das Curriculum soll seinen Teil dazu beitragen, unsere SchülerInnen zum Ende ihrer Schulzeit als solche junge Erwachsene in die Gesellschaft zu entlassen, die emotional gefestigt, sozial kompetent und befähigt sind, ihr Leben selbstständig zu meistern. Gemäß dem Leitbild unserer Schule:
Förderung der Selbstständigkeit. Steigerung des Selbstwertgefühls. Wir wissen um die Stärken unserer Schüler!
Unsere vornehmste Aufgabe als Schule ist und bleibt es daher, allen unseren Kindern jenes Grundgefühl der sozialen Geborgenheit zu vermitteln, das den Nährstoff für das weitere Leben bildet. Es geht darum, den Kindern unserer Schule möglichst vielfältige soziale Entwicklungserfahrungen anzubieten. Immer und immer wieder.
Das ist alles?
Das ist alles.